Dynamische Systeme
Menschen und soziale Systeme entwickeln sich im Fluss der Zeit und können durch die Komplexität der Umwelt und dem zeitlichen Fliessen schon per se nur dynamisch sein. Solche Dynamiken entsprechen einem permanenten Fluktuieren zwischen besser und schlechter Gelingen und können daher keine Zustandsbilder sondern nur Zeitreihen sein. Alle konzeptionellen als auch emprischen Befunde zeigen klar, dass Menschen sich nicht-linear (Heinz v. Foerster hätte es "nicht-trivial" genannt) entwickeln. Damit sind sämtliche klassische Vorgehensweisen und Analysen "auf Sand gebaut", denn diese gehen von Linearität und Stabilität aus.
Betrachtet man solche Zeitreihen von z.B. der täglichen Zufriedenheit mehreren Personen im Vergleich, so sind die Verläufe von Zeitreihen höchst unterschiedlich. Schon nur ein Monat und damit ca 30 Messzeitpunkte genügen für eine Gruppe von Menschen, sodass jede Reihe der Zufriedenheit unterschiedlich ist und schwingt. Jede Zeitreihe ist in ihrem Auf und Ab höchst individuell und einmalig. Menschen haben aber auf dem "Bildschirm des Alltagserlebens" nicht nur Zufriedenheit sondern auch viele andere "Variablen" wie Finanzen, Beziehungen, Sinn, ...., die ebenfalls alle sich in einer Zeitreihe Auf und Ab entwickeln. Geht man von der durchschnittlichen Lebenserwartung von ca 25000 Lebenstagen aus, so ist die Komplexität gut nachvollziehbar. Würde man an all den 25000 Tagen die wichtigsten Parameter erfassen (natürlich auch ihre Wechselwirkungen) so ließen sich auch bei der Weltbevölkerung von ca. 7,5 Milliarden Menschen keine zwei gleichen Dynamiken finden. Daher ist eine Fokussierung auf die individuellen und spezifischen Muster der Dynamik unerlässlich, will man Potenziale erfassen und in Bewegung bringen.
Neueste Forschungsarbeiten, vor allem von Günter Schiepek und Guido Strunk (Systemische Psychologie) fassen diese Befunden zusammen und kommen zu neuen Grundannahmen von Menschen und Systemen. Sie beziehen sich dabei auch auf die "Synergetik" des Physikers Haken, der auf diese Konzepte in all seinen Arbeiten hinweist. Dabei wird deutlich, dass nicht nur die Nicht-Linearität sondern auch die Nicht-Determiniertheit ein Faktum. Zukünftige Ereignisse und Entwicklungen lassen sich durch die vielen Rückkoppelungen und Selbstorganisationsprozesse nicht vorhersagen.
Aus der Sicht des Potenzialfokus ist hier die Theorie der Unterscheidung (Gregory Bateson, Spencer-Brown) zu berücksichtigen und führt zu einer noch erweiterten Sichtweise für die Potenzialentwicklung. So ist in jeder Zeitreihe nicht nur die Folge der Entwicklung (z.B. der täglichen Zufriedenheit) zu sehen sondern auch ein zusätzliches - und für die Potenziale mehr als wesentliches - Muster: Die Unterschiede die einen Unterschied machen zwischen den einzelnen Werten, vor allem mit dem Fokus auf positive Unterschiede. Will jemand analysieren, wie sich seine Zufriedenheit verbessern kann, so liefert ja die Information heute ist es 4 (für schlecht) und gestern war es zwei (für gut) keine entwicklungsrelevante Information. Für die Entwicklung ist der Unterschied die wichtige Information (was war gestern bei 2 anders, was heute nicht der Fall ist). Damit ist nicht die Ereignis-Analyse fruchtbringend sondern die UNTERSCHIEDSANALYSE, für Potenziale vor allem in Richtung besser.
Diese Unterschiede lassen sich natürlich nicht nur für zwei Messzeitpunkte sondern für sehr viele Zeitpunkte analysieren und weben damit in die Zeitreihe des Auf und Abs von Werten noch das Muster der unterschiedsrelevanten Information ein.